Giorgio Agamben

Was ich sah, hörte, lernte …

Aus dem Italienischen übertragen und mit einem Essay versehen von Sarah Scheibenberger

96 Seiten,12 x 20 cm
Fadengeheftete Klappenbroschur
Oktober 2024
ISBN 978-3-85449-650-2
Lieferbar

16,00

Giorgio Agambens Buch Was ich sah, hörte, ­lernte …, 2022 erstmals unter dem Titel Quel che ho visto, udito, appreso … erschienen, ähnelt keinem seiner bisherigen Bücher. Der schmale Band nimmt sowohl in formaler wie auch in inhaltlicher Hinsicht eine Sonderstellung innerhalb des Werkes eines der bedeutendsten Denker der Gegenwart ein, der im deutschsprachigen Raum besonders durch seine mehrbändige Homo sacer-Studie (1995–2015) zur biopolitischen Moderne bekannt geworden ist.
In hoch verdichteten Prosaminiaturen von zwei bis zwanzig Zeilen reiht Agamben, dem verborgenen Kompositionsprinzip einer Wunder­kammer vergleichbar, prägende Begegnungen mit Weggefährten und Orten, Lektüre­erfahrungen, Natur- und Selbstbeobachtungen als Ausgangspunkte philosophischer Reflexion aneinander. Stets sind in diese auch andernorts formulierte Gedanken und Begriffe in kaschierter Form, wie ein fernes Echo, das in den Denk­bildern nachzittert, eingewoben, wodurch ein vielschichtiges Beziehungsnetz zu Agambens umfangreichem Werk entsteht. Dem Sammlungscharakter des Buches, dem – auch im Wortsinne – Auf-lesen des Verstreuten, entspricht die Vielheit seiner zwischen Aphorismus, Essay und Prosagedicht changierenden Textformen. Sie durchdringt sämtlich ein Geist der Sammlung, Betrachtung und Versenkung. Sein einender Gegenstand ist, ob nun vordergründig Kafkas Erlösungsbegriff, das Farbenspiel auf der Insel Ponza, das Evangelium als Lebensform, ein Studienseminar mit ­Heidegger in Le Thor oder die neapolitanische Volkstheaterfigur Pulcinella beschrieben werden, das Denken in der Sprache. 
Denn in diesem Prisma philosophischer Reflexionen, poetischer Bilder und persönlicher Erfahrungen wird, in immer neuen Brechungen, eine sprachphilosophische Aporie ausgeleuchtet, die Agambens Werk wie ein feiner Faden durchzieht: die Grenzen des sprachlich Fassbaren, ihre ins Vorsprachliche oder Unsagbare ausfransenden weißen Ränder und ihre Kreuzungen mit Leben, Körper und Geschichte, mit den Mitteln der Sprache selbst auszuloten. An anderer Stelle hat er diese Aufgabe mit Walter Benjamin als »Idee der Prosa« charakterisiert. Ihre Mobilisierung auch der ästhetischen, sinnlichen Funktion der Sprache steht weder im Dienst einer normativen Philosophie und Ethik noch bloß ›schöner‹ Literatur, sondern ist – das zeigt dieses Büchlein – ethisch sui generis.

Stimmen

»Was zunächst bloß wie eine Sammlung von Skizzen zu seiner intellektuellen Autobiographie aussieht, erweist sich zugleich als raffinierte philosophische Umkreisung des großen Themas der Grenzen und Überschreitung sprachlicher Mitteilbarkeit. (…) Das Büchlein changiert zwischen den einschüchternd weitläufigen theoretischen Bezügen und einer ganz schlichten, unmittelbaren Weise, von persönlichen Erfahrungen zu sprechen. So kann es die Mitte zwischen Theorie und biographischer Einbettung halten – ›die mezza voce in der höchsten Stimmlage‹ wird in einem Eintrag, ›der Callas lauschend‹, als Stilideal aufgerufen. Gerade in der kunstvollen Beiläufigkeit dieser Denkbilder, die sehr unterschiedliche Arten und Intensitäten der Lektüre erlauben, liegt ihre größte Stärke.« (Mark Siemons, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung Nr. 46, 17. November 2024)