Wolfgang Straub

Die Netzwerke des Hans Weigel

250 Seiten,13,5 x 21 cm
Oktober 2016
ISBN 978-3-85449-463-8
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22,00

Der Kritiker, Schriftsteller, Nestroy-Bearbeiter und Molière-Übersetzer Weigel (1908-1991) ist heute wenig präsent. Einige erinnern sich an den Brecht-Boykott, andere an die »Ohrfeigen-Affäre« mit Käthe Dorsch 1956; in den Literaturgeschichten ist er als »Förderer der jungen Literatur« nach 1945 sowie als Gottseibeiuns der Bachmann-Forschung präsent. Diese erste wissenschaftlich fundierte Monografie zu Leben und Werk der umstrittenen Figur, erfasst die vielfältigen Tätigkeiten und zeigt, auf welche Kontakte sich Weigels Rückkehr und schneller Erfolg stützen konnte.

Der Kabarettist und erfolgreiche Schlagertexter Hans Weigel floh im März 1938 in die Schweiz. Dass er bereits im September 1945 nach Wien zurückkehren konnte, war in Zeiten undurchdringlicher Demarkationslinien für jemand, der kein politischer Funktionär war, erstaunlich genug. Dass er sofort Arbeit hatte, dass sogleich zwei Bücher mit Exilwerken gedruckt wurden, dass im Jänner 1946 ein Theaterstück von ihm ein großer Erfolg wurde, ist umso bemerkenswerter. Wolfgang Straub widmet sich in seiner biographischen Studie der Frage nach den Voraussetzungen, Funktionsweisen und Netzwerken dieser erfolgreichen Remigration, die Weigel in einem Erinnerungstext als »Bilderbuch-Heimkehr« bezeichnete.

Straub arbeitet heraus, dass die Tätigkeit Weigels, der sich gerne als Einzelkämpfer inszenierte, vernetzter als bislang gesehen werden muss. Und er zeigt, wie Weigel zum zweifachen Renegaten wurde: in der allmählichen Abkehr vom Kommunismus hin zu einem scharfen Antikommunismus sowie der Abkehr vom Judentum. Beide Bewegungen waren keine Einzelaktionen, sie konnten breiten Konsens finden in der Nachkriegsgesellschaft.

Stimmen

»Ausführlich beschreibt Straub die spätere Gegenposition zu Brecht, die Hinwendung zu jungen Schreibenden wie Ilse Aichinger, Ingeborg Bachmann - die Affäre mit ihr haben beide literarisch verarbeitet -, Jeannie Ebner und anderen. Sowie Weigels Ärger, als seine Schützlinge sich auch dem deutschen Buchmarkt zuwenden wollten. Der Band versteht sich nicht als Biografie, liefert aber interessante Aspekte zur Aktivität des zeitweiligen österreichischen Kulturpapstes.«
(Erich Demmer, Die Presse/Spectrum, 31. Dezember 2016)
»Einen geeigneteren Zugang zu der ›Institution‹ Hans Weigel ließe sich schwerlich finden: Ausgehend vom Konzept des sozialen Netzwerks versucht Wolfgang Straub die Positionen und Funktionen Weigels innerhalb der Kulturszene der österreichischen Zwischen- und Nachkriegszeit (neu) zu bestimmen - Straubs Ansatz ist dabei keinesfalls nur eine Konzession an ein theoretisches Modell, das gerade en vogue ist;vielmehr bietet ihm die Netzwerkanalyse ein zweckdienliches wissenschaftliches Instrumentarium, um ein genaues Bild von komplexen soziokulturellen Gefügen zu entwerfen.«
(Maria Piok, Mitteilungen aus dem Brenner-Archiv, Nr. 36/2017)