Markus Köhle

Das Dorf ist wie das Internet, es vergisst nichts

240 Seiten,13,5 x 21 cm
gebunden
Januar 2023
ISBN 978-3-85449-617-5
Lieferbar

25,00

Wer einen realistischen Eindruck vom Zustand Österreichs gewinnen möchte, braucht das Land bloß mit dem Zug zu durchreisen – die freiwillig und halbfreiwillig geführten Gespräche in den Railjets und Speisewägen der Nation geben einen tiefen Einblick in die hiesige Verfasstheit, die zwischen »Fernsehkaisern und Kurzschlusskanzlern « kaum unterscheiden zu können scheint.
Eine solche Tour de force unternimmt Markus Köhle mit viel Sprachwitz in seinem Romandebüt, in dem er seinen aufmerksam registrierenden Protagonisten Lukas auf seinen Zugreisen durch die Bundesländer den großen Themen unserer Zeit begegnen lässt: Deutlich zu spüren ist da das »Stadt-Land-Kluft-Schlamassel«, die sture Ignoranz gegenüber der nötigen Veränderung (»die Füße schischuhschwer, aber die Nase immer oben«), ein bestenfalls halbes Bewusstsein von Überalterung und Pflegenotstand und, natürlich, eine große Unlust, sich mit all dem ernsthaft auseinanderzusetzen.
Für Lukas, der als freiberuflicher Texter ein offenes Ohr für die Problematik und sprachliche Wirklichkeit all dessen hat, kommt es aber noch schlimmer: Denn was im Argen liegt, hat auch noch mit ihm persönlich zu tun. Das begreift er spätestens dann, als sich der Bürgermeister seines Tiroler Heimatdorfes meldet, um ihm – gut österreichisch kuhhandelnd – einen Literaturpreis im Tausch gegen eine literarische Lobeshymne auf sein Fleckchen Muttererde zu ›verleihen‹. Da Lukas den Auftrag nicht ausschlagen kann, mischt sich zu den Konversationen im Zugabteil nun noch die mémoire involontaire einer Jugend am Land, mit all ihren Senken und Tiefen, unerfüllter Liebe, Sehnsucht und unentrinnbarer Kleingeistigkeit.
Zur Wehr setzen kann er sich mittlerweile aber doch: Wir reisen mit ihm nicht nur der Preisverleihung und Gemeindelesung entgegen, sondern auch dem literarischen Befreiungsschlag gegen die Zustände. Ob er gelingen kann? »Das geht sich aus, weil Österreich auch Schönred-, Ausreden- und Wurschtlweltmeister ist. Ja, in Österreich ist sich – über Kurz oder Ibiza – noch immer alles ausgegangen.«

Stimmen

»Markus Köhles jüngster Roman mit dem wunderbaren Titel „Das Dorf ist wie das Internet, es vergisst nichts“ ist eine ideale Lektüre nicht nur fürBahnfahrer (mwd), sondern auch für Freunde von Sprachspielereien undf ür Leute, die einen liebevoll-kritischen Blick auf Österreich hegen. Das gutgelaunte Railroadmovie in Buchform erzählt von den Begegnungen desAutors und Tourismus-Werbetexters Lukas in den Speisewägen der ÖBB, in denen er regelmäßig kreuz und quer durch Österreich gondelt (mit Ausnahme des Burgenlandes: die müssen ohne Speisewagenverbindung auskommen).« (Werner Schandor, Der Haubentaucher, 14. Jänner 2024)
»Markus Köhles Roman ist eine ironische Studie über den Literaturbetrieb, über die Heimkehr eines ausgewanderten Dorfkindes und über die kulturelle Globalisierung, worin es Ortsschilder nur mehr in der Erinnerung gibt.« (Helmuth Schönauer, schoepfblog.at, 12. Juni 2023)
»Die durch Dialekt und Floskeln gestiftete Mündlichkeit vitalisiert ein ums andere Mal die Handlung. Die Grimmigkeit im Umgang mit den ›Silzer-Sulz-Sausen-Contest-Teilnehmer*innen‹ ist eine gelungene Mischung aus Thomas Bernhard und Erster Allgemeiner Verunsicherung. Splatter und Tragikomik schließen einander bei alledem nicht aus. Köhle bietet einen hyperrealistischen Tourguide in die Alpenmentalität. Trotz Infektion der Erzählerstimme mit dem ›fashionable nonsense‹, wie Alain D. Sokal das postmoderne Denken genannt hat, ein Unsinn, der auch auf die Figuren übergreift: ein weltsüchtiges Romandebüt.« (Konstantin Ames, Tagesspiegel, 24. April 2023)
»Markus Köhle erforscht in dialogischen und lexikalischen Elementen das provinzielle Österreich in einem assoziativen Strom aus Szenen, die wie Aussichten auf einer langen Zugfahrt vorbeifliegen und zu einer Erinnerungslandschaft verschwimmen. Wäre man nicht so sicher, immer ein Stadtkind gewesen zu sein, hätte man schwören können, den Pool von Nassereith glitzern zu sehen.« (Tiroler Straßenzeitung 20er, April 2023)
»Wenn es so etwas wie ein heimisches Pendant zur Great American Novel gibt, eines mit Augenzwinkern und Selbstironie, nämlich den zwiespältigen Österreich-Roman, dann hat Markus Köhle sich dieses Prädikat für sein beißend-vergnügliches Buch redlich verdient.« (Erwin Uhrmann, Presse/Spectrum, 1. April 2023)
»Köhle schafft mit seinem Debütroman eine Fusion aus dem Zeitgeist der Gen-Z, Austria in a Nutshell, der Stadt-Land-Kluft und Coming-of-Age. Dabei fängt der Autor abseits von humorvollen Wortspielen und der Ernsthaftigkeit aktueller Zustände die Vielseitig- und Andersartigkeit der Generationen im gemeinsamen, verbindenden Moment des Zugfahrens ein.« (Wanko/Berner, Vorarlberger Nachrichten, 25./26. Februar 2023)
»Ergänzt wird Köhles Roman durch die liebevolle Buchgestaltung des Sonderzahl Verlags, der dem Text unter anderem eine Österreichkarte mit Touren durch die im Text erwähnten Ortschaften beigefügt hat. … Mit präziser linguistischer Arbeit geht Markus Köhle bei der Aufarbeitung der eigenen Herkunft der Sprache auf den Grund und (er)findet dabei Wahrheiten. Köhles Sprache ist dicht, verspielt und treffgenau.« (Lina Buxbaum, Literaturhaus Wien, 23.2.2023)