Gewohnte Gewalt

Häusliche Brutalität und heimliche Bedrohung im Spannungskino

Herausgegeben von Drehli Robnik, Herausgegeben von Joachim Schätz

280 Seiten,16,5 x 23 cm
Fadengeheftete Broschur
April 2022
ISBN 978-3-85449-601-4
Lieferbar

29,00

Nicht erst die gegenwärtig extreme Häufung von Femiziden durch (Ex-)Beziehungspartner in Österreich erinnert daran: Gewalt dringt nicht so oft von ›außen‹ ein, wie sie vielmehr im sozialen Nahbereich ausgeübt wird, oftmals im gemeinsamen Haushalt. Häusliche Gewalt, die fast immer von Männern ausgeht, wird zur gewohnten Gewalt, wird von Betroffenen wie auch von Öffentlichkeiten viel zu oft als normal, als Teil des Alltäglichen, hingenommen.
Das Kino weiß davon: nicht zuletzt davon, wie das allzu Gewohnte von Herrschafts- und Gewaltverhältnissen in Form von Schocks und Schrecken wahrgenommen wird; und wie daraus wiederum Routinen entstehen, Subgenres und Kinotrends, räumliche und erzählerische Muster. Besonders Filmthriller erzählen häufig von Heim, Beziehung und Familie als Schauplätzen von Bedrohung durch deine täglichen Nächsten, die männlich gegendert und sozial klassifiziert ist. Von den Gaslight-Filmen der 1940er Jahre und ihren Nachbildern bis zu den Wendungen von Gone Girl (2014), vom Sixties-Klassiker What Ever Happened to Baby Jane? bis zum Oscar-Gewinner Parasite (2019), von Nazis und anderen Feinden in deinem Bett bis zu den totalen (und brutalen) Familien des österreichischen Films: Diese Arten von Spannungskino wirken auch zurück auf populäre Sprechweisen und Vorstellungen von Gewalt, Viktimisierung und Gegenwehr.

Die circa 50 kurzen Texte dieses Bandes ziehen Bahnen durch dieses Feld der domestic thrillers und ihrer Umgebungen, in Hollywood und weltweit. Filmkritik und Filmgeschichte verbindet sich dabei mit Sozialkritik der Gegenwart: Was an diesen Motivvorräten von Nahgefahr, Psychospielen und Entmächtigung erscheint im Licht rezenter Erfahrungen von Lockdown und ansteigender Beziehungsgewalt wieder oder neu aufschlussreich und klarsichtig? Wo sind diese Filme in ihren Festschreibungen – etwa von Rassifizierungen, von Geschlechter- und Klassenpositionen – selbst Teil des Problems? Und was verrät das Kino im Spannungsmodus über den Schrecken, der Alltagsobjekten, Hausarbeit und privilegierten Lebensweisen latent innewohnt?

Stimmen

»Das Schöne an diesem Band ist, dass es so wenig Systematik gibt; kein Kanon wird abgearbeitet, keine Analyse durchexerziert. Stattdessen regen die Herausgeber schon im Vorwort eher zum wilden Nachdenken und munteren Verbindungen-Ziehen an. Und die Autorinnen und Autoren folgen dieser Aufforderung mal mit abstrakten, mal mit sehr subjektiven Argumenten und Filmschilderungen.« (Barbara Schweizerhof, Falter 51–52/22)
»›Gewohnte Gewalt – Häusliche Brutalität und heimliche Bedrohung im Spannungskino‹ ist ein Buch, das – und hier muss man wohl ›leider‹ sagen – den Nerv der Zeit trifft. Mit dem Anstieg häuslicher Gewalt in der Pandemie ist die Relevanz der Thematik, obwohl natürlich schon immer da, offensichtlicher als je zuvor. Die Stärke des Buches liegt in seiner intersektionalen Perspektive, der Neubetrachtung altbekannter Filme und seiner Sozialkritik, die auch vor den Dominanzperspektiven der behandelten Domestic Thriller selbst und ihren Macher*innen nicht zurückschreckt. Wie die Herausgeber Drehli Robnik und Joachim Schätz mit Blick auf den Film ›Swallow‹ und seine Krimskrams-verschluckende Protagonistin schreiben: Das Buch arbeitet ›in kleinen Häppchen an unserem kollektiven und kinematografischen Hausrat, von dem vieles unverdaulich bleibt‹.« (Caroline Schmüser, skug, 10. November 2022)
»Alle Texte sind konkret und anschaulich formuliert, es gibt keine wissenschaftlichen Abstraktionen oder Abschweifungen. Mit Abbildungen in guter Qualität. Unbedingt lesenswert.« (Hans Helmut Prinzler,2022)