Herbert J. Wimmer

klärwerk

rezyklopädie der gegenwart

332 Seiten,13,5 x 21 cm
gebunden
September 2020
ISBN 978-3-85449-552-9
Lieferbar

22,00

Herbert J. Wimmers Buchtitel spielen gerne mit ironischer Ambivalenz. So sind bei ihm die kugeln flach, bei tote im text geraten die Buchstaben O und X in irritierende Wechselwirkung und der zeitpfeil wird in seiner Bedeutungsvielfalt zwischen Psychologie und Kosmologie noch zusätzlich poetisch aufgeladen.
Von ähnlich einfach schöner Komplexität sind Titel und Inhalt seines neuesten Werkes – klärwerk. Handelt es sich bei diesem in Wörterbüchern nicht zu findenden Begriff um eine sprachliche Kläranlage? Wobei man bei Wimmers vor dem Kalauer nicht zurückschreckenden Sprachwitz gerne auch die Frage stellen darf: Alle Klarheiten beseitigt? Ja und nein. Jedenfalls sollte man das jiddische »derklern« im Sinne von erklären, nachdenken und auslegen im Kopf behalten.
Erklärungshilfen sind in seiner selbstreflexiven Prosa selbst enthalten – so etwa in der »zweihundertdreiundneunzigsten MEMoirés-memorette«: »klärwerkkunde: auch dieser text spricht nicht für sich. auch dieser text realisiert eine medienspezifische, vorschlagsweise romanartig genrespezifische inszenierung.«
»Romanartig« bedeutet Handlung aus vielfältig ineinander verschränkten Geschichten und Figuren, die sowohl Sprachfiguren als auch Handlungsträger sind. Die drei Hauptfiguren des klärwerks feuer, fromovic und haslaur befinden sich jedenfalls in ständiger Kommunikation miteinander. Ein wesentliches Selbstverständnis ihrer Identitäten besteht darin, die gegenwärtigen Positionen aus dem LGBTransgender-Alltag in selbstreflexiver Weise sprechen zu lassen – womit es Herbert J. Wimmer durchaus selbstironisch und lustvoll gelingt, den gruppendynamischen Aspekt einer permanent fließenden und sich permanent selbst in Frage stellenden Identitäten-Debatte herauszuarbeiten. Gesellschaftspolitisch überhöht lässt sich fragen: Wie schaut es momentan/gegenwärtig aus, wenn die Rollen/Rahmen porös werden, wenn die Übergänge und die auftretenden Übergangsformen ihre Fließmuster permanent verändern?