Matthias Schmidt / Clemens Ruthner

Die Mutzenbacher

(Re-)Lektüren eines Wiener Skandalromans

352 Seiten,16,5 x 23 cm
Oktober 2018
ISBN 978-3-85449-513-0
Nicht mehr lieferbar

38,00

Josefine Mutzenbacher. Die Geschichte einer Wienerischen Dirne. Von ihr selbst erzählt ist der wohl berühmt-berüchtigtste Text der österreichischen Jahrhundertwende-Literatur. 1906 erschienen, bildet der Text nicht weniger als einen Kristallisationspunkt nahezu aller Diskurse über Sexualität im 20. und 21. Jahrhundert: Ein verbotenes Buch und zugleich einer der großen Erotik-Bestseller in deutscher (oder vielmehr: Wienerischer) Sprache, der Generationen von zentraleuropäischen Männern unter der Schulbank »aufklärte«. Die Fini wurde verfemt, verfilmt und doch auch verteidigt – und immer wieder für ihren obszön-humoristischen Sprachgestus geschätzt, wie etwa von Oswald Wiener, einem der Köpfe der Wiener Gruppe.

Verfasst von einem Anonymus (hinter dem man oft Felix Salten, den Autor des Kinderbuchs Bambi, vermutet hat), stellte sich bei der Mutzenbacher immer schon die Frage, was moralisch erlaubt ist, wenn vom Geschlechtsverkehr erzählt wird, und was nicht – und schließlich, wem dieser Sex gehört: Zählt dieser Roman zu den »jugendgefährdenden Schriften «? Darf man ihn verkaufen und Tantiemen dafür verlangen – oder sollte man ihn besser gesetzlich verbieten? Wer hat ihn wirklich geschrieben, wer darf ihn lesen und wer nicht? Ist seine weibliche Protagonistin Vorreiterin eines neuen sex-positiven Feminismus oder ist der Roman Höhepunkt einer unglaublichen Verdinglichung der Frau als sexueller Ware, ja Kinderpornografie? Wie funktionieren die Strategien dieser Darstellung von Sexualität und innerhalb welches historischen Kontextes können sie erhellend wiedergelesen werden?

Entlang dieser Fragestellungen wurden im Zuge eines eineinhalbtägigen Symposiums Neu- und Re-Lektüren des Skandalbuches aus verschiedenen und vielfältigen Perspektiven unternommen. Das Ergebnis ist der erste umfassende Sammelband zur Thematik, der sich dem Text aus historischer, literatur- und kulturwissenschaftlicher, philosophischer, feministischer, juristischer, psychoanalytischer und forensischer Sicht nähert. Trotz der umfangreichen Wirkungsgeschichte und multimedialen Rezeption des Buches stand eine umsichtige wie interdisziplinäre wissenschaftliche Bearbeitung lange Zeit aus – die neben zahlreichen Detailinterpretationen vor allem auch Material zur Beantwortung der schwierigen Frage liefern soll, wie mit dem Text, dem vermeintlich emanzipatorischen Skandalon Fini umgegangen werden soll.

Mit Beiträgen von
Thomas Ballhausen, Matti Bunzl, Riccardo Concetti, Franzobel, Martin A. Hainz, Murray G. Hall, Susanne Hochreiter, Günter Lipold, Wolfgang Müller-Funk, Franz X. Eder, Caitríona Ní Dhúill, Claudia Öhlschläger, Katharina Prager, Vahidin Preljević, Désirée Prosquill, Marina Rauchenbacher, Clemens Ruthner, Matthias Schmidt, Geraldine Smetazko, Brigitte Spreitzer, Marina Rauchenbacher, Nancy M. Wingfield, Ilse Zatloukal-Reiter