Gerhard Weinberger
Beunruhigungen
Ethik zwischen schlechtem Gewissen und wahrem Leben
112 Seiten,12 x 20 cm
Klappenbroschur
Oktober 2024
ISBN 978-3-85449-664-9
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€18,00
Gerade in Zeiten, in denen die Krisenhaftigkeit der Gegenwart beständig thematisiert wird, liegt es nahe, von der Philosophie eine kritische Einordnung des Beunruhigt-Seins zu erhoffen. Gerhard Weinberger unternimmt in seinem Essay nicht nur einen derartigen Versuch, der Besorgnis ihren (durchaus konstruktiven) Platz unter den Gemütslagen zuzuweisen, sondern rekonstruiert diese grundlegender im Sinne einer Triebkraft des Menschen, die es ihm ermöglicht, sein Leben als eine Folge ethischer Fragestellungen und so auch als aktiv zu gestaltendes ethisches Projekt zu verstehen.
Nimmt die ontologisch orientierte Philosophie seit Aristoteles ihren Ausgangspunkt beim Staunen, so lässt Weinberger sein ethisch ausgerichtetes Philosophieren vom Zustand der Beunruhigung ausgehen. Als Gewährsmänner und Gesprächspartner dienen ihm hierbei Emmanuel Levinas und François Jullien, deren beider Philosophien einen solchen fundamentalen Vorrang der Ethik behaupten. Weinberger zeichnet diese beiden Ansätze konzise nach, da sie die Annahme teilen, dass Beunruhigung die Voraussetzung für jedwede ethische Perspektive bildet – doch höchst unterschiedliche Schlüsse aus dieser Voraussetzung ziehen. Bei Jullien besteht eine ethische Selbstermächtigung zunächst in einer Kraftanstrengung des Ich, um der Banalität eines vor-reflexiven Dahinlebens zu entkommen und in eine höhere, erweiterte Dimension des Daseins vorzustoßen.
Bei Levinas hingegen wird der Mensch durch die Begegnung mit dem anderen Menschen auf die Enge des ursprünglich bloß egoistischen Lebens aufmerksam, und kann durch Hinwendung zum Anderen dem teuflischen Kreislauf eines egozentrischen Lebens entkommen. Das Ich macht Platz für den Anderen und erlebt das Wunder des von sich selbst befreiten Daseins, das nicht nach neuen Gipfeln strebt, sondern im Tal der Verantwortung für den Mitmenschen seinen Sinn findet.
Weinbergers vergleichende Lektüre führt verständlich in das Werk beider Denker ein und liefert eine wechselseitige Kritik beider Perspektiven. Zudem entwirft der Essay die Beunruhigung als ein spezifisches Potenzial des Menschen, das ihn davor bewahrt, weder dem lähmenden Pessimismus der vorgeblich ständig drohenden Apokalypse anheim zu fallen, noch sich mit sinnentleerter Wohlfühlmentalität über jedes Krisenbewusstsein hinweg zu schwindeln.