Stefan Zweig Poetikvorlesung von Barbi Marković
Als 15. Dozentin der Salzburger Stefan Zweig Poetikvorlesung spricht Barbi Marković in drei Vorlesungen über ihr Schreiben unter dem Titel „Stehlen, Spielen, Schimpfen“:
Die Wahrheit verändert sich für uns so sehr, dass sich die anderen in ihr nur schwer zurechtfinden. (Proust/Marković).
Gute Sätze begleiten uns, wir wiederholen sie jahrelang, wir üben und verändern sie, bis sie uns gehören. Ähnlich verhält es sich mit Sprachen. Wir lernen sie und sprechen sie, wir zahlen für sie mit Geld und Zeit, und das, was am Ende herauskommt, ist „unsere deutsche Sprache“.
Barbi Marković hat sich das Stehlen als die kulturelle Unverschämtheit von unten zum Programm gemacht. In der ersten Vorlesung erzählt sie, wie es dazu kam und warum man ihr trotz offener Piraterie nie die Originalität ihrer Texte abgestritten hat. Fast nie.
In der zweiten Vorlesung geht es um die Kraft und den Zug einer guten, rhythmisch abgestimmten Schimpftirade. Dabei werden Beispiele aus dem Leben und aus der Literatur betrachtet, besondere Aufmerksamkeit wird auf die Machtverhältnisse gelenkt. „Schimpfe nie nach unten und streichle nie nach oben“, würde die Regel lauten.
Die Regeln, die man sich selbst auferlegt, um eine Distanz zwischen dem Text und dem Ich herzustellen, sind das Thema der dritten Vorlesung. Damit sind formale Zwänge und Textspiele gemeint, wie man sie aus der Oulipo-Schule kennt, aber auch situationistische Textsammlungsmethoden und sogar Table-Top-Rollenspiele, mit denen man spannende Inhalte kreieren kann. Durch diese Techniken ist es möglich, eine Lücke zwischen Text und Autorin zu schaffen, die mit entsprechendem Material gefüllt werden kann, sodass die Texte am Ende mehr wissen als die Person, die sie geschrieben hat, und über mehr berichten als nur über ein Privatschicksal.
Barbi Marković, geboren 1980 in Belgrad, studierte Germanistik, lebt seit 2006 in Wien. 2009 machte Marković mit dem Thomas-Bernhard-Remix-Roman „Ausgehen“ (Suhrkamp Verlag) Furore. 2016 erschien der Roman „Superheldinnen“ (Residenz Verlag), für den sie u.a. den Priessnitz-Preis erhielt. 2017 las Barbi Marković beim Bachmann-Preis. Zahlreiche Kurzgeschichten, Theaterstücke und Hörspiele , außerdem zuletzt die Bücher „Die verschissene Zeit“ (2021) und „Minihorror“ (2023, beide im Residenz Verlag).