Rüdiger Görner

Nausikaa oder Die gefrorenen Wellen

Roman

304 Seiten,13,5 x 21 cm
gebunden
März 2015
ISBN 978-3-85449-432-4
Lieferbar

22,00

Zwei Schicksale, scheinbar zufällig herausgegriffen mitten aus der “Wolfszeit” des 20. Jahrhunderts: zum einen eine gefragte “Modistin” in einem angesehenen Londoner Modegeschäft, eine Aufsteigerin aus einfachen Verhältnissen, selbstbewusst, quasi alleinstehend trotz einer Verlobung mit einem trockenen Bank-Technokraten; zum anderen ein eigenbrötlerischer jüdischer Lehrersohn aus einer schmucken, konservativen Kleinstadt am Bodensee.

Florence scheint in vielem ihrer Zeit, der 1930er Jahre, voraus zu sein, sie steht inmitten einer stockkonservativen Branche an der Schwelle zur selbständigen Modedesignerin, möchte gar Männerkleidung entwerfen; Jean hat seine Berufung noch nicht gefunden (es könnte das literarische Schreiben werden), er hatte aber noch keine Zeit und Gelegenheit, seinen Platz im Leben zu finden: Während seiner Schulzeit wird er im zunehmend antisemitischen Klima geschnitten und zum Außenseiter gemacht, er richtet sich in dieser Rolle ein, nimmt Solidaritätsangebote nicht wahr. Ausgestattet mit Empfehlungen kann er über Zürich, Troyes, Antwerpen und Paris nach London fliehen – die Eltern bleiben zurück im “Reich”.

Rüdiger Görner schreibt mit “Nausikaa oder Die gefrorenen Wellen” einen von páthos durchdrungenen Roman – und das in des Wortes eigentlicher Bedeutung: voller Leidenschaft, die mehr und mehr im Leiden aufgeht. Görner führt die Lebenslinien von Florence und Jean schließlich in London zusammen – es geht um Liebe, um das Frau-Sein und das Mann-Werden. Aber diese beiden dem Wasser verbundenen Wesen, diese Anti-Körper sind nicht für ein “normales” Dasein, eher für das Verschwinden geschaffen.

Der vielschichtige Roman ist wie eines von Florences Kleidungsstücken gearbeitet – behutsam, kunstvoll, voll stofflicher Dichte, einem eleganten Schnittmuster folgend, in mehreren Lagen geschneidert: ein Roman über das Aufwachsen im Deutschland der Zwischenkriegszeit, über die Entwicklung und die Abwehr der Körperlichkeit, ein Migrations- und Exilroman, ein luzides Porträt der englischen Gesellschaft der dreißiger Jahre, eine Liebeserklärung an das vielschichtige Faszinosum London. Ein zutiefst europäisches Buch.

Stimmen

»Erzählt wird in einem präzisen, langsamen ›impressionistischen‹ Sprachduktus mit Verweisen auf Literatur, Musik, britische Lebensart, bildende Kunst - melancholische Spaziergänge durch eine verloren gegangene Welt. … In der zarten narrativen Gestik liegt zweifelsohne eine der Stärken des Romans.«
- Die Presse/Spectrum, 25. Juli 2015