Hanno Millesi in der Stadtbibliothek Innsbruck
Im Zentrum von Hanno Millesis Roman »Zur Zeit der Schneefälle« klafft ein Loch – eines, das auf unerklärliche Weise die Wand des Wohnzimmers des Protagonisten, Rainer, durchlässig werden lässt. Niemand scheint für seine Entstehung verantwortlich zu sein, auch kein Mitglied der auf der anderen Seite wohnenden Familie Nolde. Sämtliche Beteiligten zeigen sich vom plötzlichen Zerbröseln der gewohnten Barriere dermaßen verblüfft, dass ihnen erstmal nichts Besseres einfällt, als den Schaden zu kaschieren, anstatt etwas über seine Ursache herauszufinden oder ihn gar zu beheben.
Mit dieser vermeintlich einzigen Abweichung vom Normalzustand – einer schwindenden Wand – erzeugt Hanno Millesi eine Erzählsituation, die wie nebenbei Einsichten in gegenwärtige gesellschaftliche Zustände ermöglicht. »Zur Zeit der Schneefälle« ist eine fein gezeichnete Parabel auf die Überforderungen im digitalen Biedermeier unserer Gegenwart.
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Hanno Millesi, lebt und arbeitet in Wien. Nach den Studien der Kunstgeschichte und Philosophie zunächst wissenschaftlicher Mitarbeiter am Museum moderner Kunst Wien, in der Folge nur noch freischaffender Autor; Romane und Kurzgeschichten (Hörspiele, Essays, Gemeinschaftsprojekte); als Herausgeber: Austropilot (gem. m. Xaver Bayer), als Unterrichtender: Institut für Sprachkunst an der Universität für angewandte Kunst in Wien sowie Schule für Dichtung in Wien.
Zuletzt erschien »Der junge Mann und das Meer. Erzählungen« (Edition Atelier 2023).